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Neugeborenen-Diabetes – eine seltene Form von Diabetes

Der Neugeborenen-Diabetes ähnelt in seinem Auftreten dem Typ-1-Diabetes bei älteren Kindern und Erwachsenen, hat jedoch andere Ursachen. Die genaue Diagnose des Erkrankungstyps und eine gute medizinische Betreuung sind wichtig, um die normale Entwicklung Ihres Kindes zu sichern und Risiken sowie Langzeitfolgen zu vermeiden.

Der Neugeborenen-Diabetes wird fachsprachlich auch als „neonataler Diabetes mellitus (NDM)“ bezeichnet. Er ist eine sehr seltene „monogenetische“ Form des Diabetes, die nur bei etwa einem von 90.000 Neugeborenen auftritt (1,2).

Monogenetisch bedeutet, dass die Erkrankung durch Veränderung eines Gens (Merkmals) entsteht.

Mögliche Symptome

Der Neugeborenen-Diabetes macht sich innerhalb des ersten Lebenshalbjahres, in einigen Fällen schon in den ersten Tagen oder Wochen nach der Geburt, durch typische Anzeichen bemerkbar.

Säuglinge mit Neugeborenen-Diabetes zeigen zum Beispiel (3):

* vermehrte Urinausscheidung – und dadurch Austrocknung

* verstärkten Durst

* häufig reduziertes Geburtsgewicht

* verzögertes Wachstum

* erhöhte Blutzuckerwerte

Langfristig kann es zu schwerwiegenden Stoffwechselentgleisungen kommen, bis hin zum diabetischen Koma.

Transient oder permanent – eine bedeutsame Unterscheidung

Der Neugeborenen-Diabetes kann transient, also vorübergehend, auftreten oder permanent, d. h. von vornherein dauerhaft bestehen. Der transiente Neugeborenen-Diabetes tritt in ca. 50% der Fälle auf. Ihr Kind wird in diesem Fall für einige Zeit (meist mehrere Wochen oder Monate bis hin zu wenigen Jahren) behandelt werden. Typisch für die transiente Form ist, dass die Blutzuckerwerte unter der Therapie normal und stabil   und die Behandlungsbedürftigkeit mit der Zeit verschwindet.

Bei etwa der Hälfte der Kinder entwickelt sich jedoch später – meist in der Pubertät – wieder ein Diabetes, der lebenslang bleibt (4).

 

Genmutationen beim Neugeborenen-Diabetes

Beim Neugeborenen-Diabetes kommt es aufgrund der Mutation eines einzelnen Gens zu einer Abweichung des Zell-Bauplans. Bestimmte Genmutationen führen zu Veränderungen im Aufbau oder der Funktion von Kalium- Kanälen in den insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse. Diese Kalium-Kanäle sind an der Regulation der Insulinausschüttung mit beteiligt.

Ist der Kanal oder seine Regulation defekt, kommt die Insulinausschüttung zum Erliegen. Es gelangt dann kein oder nur wenig Insulin ins Blut und der Blutzucker kann nicht in die Körperzellen eingeschleust werden. Der Blutzuckerspiegel steigt an und das Kind entwickelt einen Diabetes.

Untersuchungen zur Sicherung der Diagnose

Genetischer Test

Bei Neugeborenen und Säuglingen bis zum sechsten Lebensmonat, bei denen ein Diabetes festgestellt wurde, sollte eine molekulargenetische Untersuchung zur Bestimmung des betroffenen Gens durchgeführt werden. Dazu werden Zellen aus einer Blutprobe verwendet (4).

Warum ist diese Untersuchung wichtig?

Die genetische Untersuchung hilft bei der Vorhersage des zu erwartenden Verlaufs der Krankheit.

Eine frühe Diagnose ermöglicht eine angepasste Behandlung, d. h. verbesserte Kontrolle des Stoffwechsels, ein normalisiertes Wachstum und hat Einfluss auf die neurologische Entwicklung des Kindes (4).

Behandlung des Neugeborenen-Diabetes

Das Kennzeichen des Neugeborenen-Diabetes ist also die unzureichende Insulinfreisetzung – mit der Folge eines erhöhten Blutzuckerspiegels und reduzierter Aufnahme von Glukose in die Körperzellen. Um diesen Mangel auszugleichen und den Blutzuckerspiegel zu normalisieren, kommt – wie bei Jugendlichen oder Erwachsenen mit schwereren (insulinpflichtigen) Formen des Diabetes – die blutzuckerabhängige Gabe von Insulin infrage (4).

Hierzu ist in der Regel eine intensive Schulung der Eltern notwendig, die Kinder benötigen mehrmals täglich Blutzuckerbestimmungen und auf die Mahlzeiten angepasste Insulininjektionen.

Alternativ kann eine Insulinpumpe eingesetzt werden. Die Insulin-Ersatztherapie ist jedoch beim Neugeborenen-Diabetes besonders aufwendig. Deshalb wurde nach Behandlungsmöglichkeiten gesucht, die für Neugeborene und Kleinkinder besser geeignet und einfacher anzuwenden sind.

Sulfonylharnstoffe

Sulfonylharnstoffe (wie zum Beispiel Glibenclamid) wirken auf die Kalium-Kanäle ein und stimulieren die Freisetzung von Insulin aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse.5 Diese müssen nicht injiziert werden, sondern können als Tabletten oder Flüssigkeit eingenommen werden (8).

In Tablettenform wird die Substanz bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes schon seit mehreren Jahrzehnten eingesetzt. Zur Behandlung des Neugeborenen-Diabetes kommt bezogen auf das Körpergewicht eine höhere Dosierung zum Einsatz. Untersuchungen an Kindern mit Neugeborenen-Diabetes haben gezeigt, dass sie im Allgemeinen gut auf Sulfonylharnstoffe ansprechen und der Glukosestoffwechsel bei diesen Patienten langfristig verbessert werden kann (4,6).

Unter der Behandlung mit Sulfonylharnstoffen kann es u. a. zu Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und Erbrechen kommen. Wie bei der Insulintherapie auch, können Unterzuckerungen auftreten (5,7).

Einsatz von Insulin

Nicht immer kann die Gabe von Sulfonylharnstoffen erfolgreich sein und die Stoffwechsellage beherrschen. Daher kann in bestimmten Fällen Insulin zur Anwendung kommen. Dies geschieht auch, solange die Ergebnisse der molekulargenetischen Diagnostik nicht vorliegen.

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Quellen 1* Grulich-Henn J et al. Diabetic Medicine 2010; 27(6):709-12. 2* Lafusco D et al. Acta Diabetol 2012; 49(5):405-8. 3* National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK): Monogenetic Diabetes (Neonatal Diabetes mellitus & MODY), https://www.niddk.nih.gov/health-information/diabetes/overview/what-is-diabetes/monogenic-neonatal-mellitus-mody (zuletzt besucht 10/2024) 4* S3-Leitlinie der DDG. AWMF-Registernummer 057–016 Diabetes Gesellschaft (DDG) 2023. Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter. 5* Pearson et al. N Engl J Med 2006; 355(5):467-77. 6* Hattersley, A.T. et al. Pediatric Diabetes 2018; 19 (Suppl. 27):47-63. 7* Bowman, P. et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6:637–46. 8* Beltrand, J. et al. Pediatric Diabetes 2019; 20:246–254.

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